Wenn Du durch die kretische Landschaft gehst (oder fährst), fallen Dir einige merkwürdige Dinge auf. Manche kannst Du Dir vermutlich selbst erklären, aber bei anderen fragt man sich: Warum oder wofür ist das so? Dazu einige Erklärungen in diesem Beitrag!
1. Warum sind die Baumstämme weiß bemalt?
Beim Wandern durch Kreta stößt mabn immer wieder auf weiß bemalte Baumstümpfe, etwa bei Kirchen oder Terrassen. Es sieht aus wie eine Verzierung, was teilweise stimmt. Aber es gibt einige andere Gründe für diese Bemalung.
“Dekoration”
Die Tradition, Bäume und andere Objekte zu bemalen, geht zurück auf antike Zeiten. Das Bemalen – überwiegend im frühen Frühling - steht in Verbindung mit der traditionellen Architektur. Vor allem vor Ostern streichen die Kreter ihre Häuser, um das wichtigste religiöse Fest der Insel zu feiern. Sie bemalen dabei auch Trockenmauern, Bordsteine und eben Baumstümpfe. Die verwendete Farbe ist Kalk.
“Anti-bakteriell”
Ein weiterer Grund ist der Glaube, dass durch den Kalkanstrich Bakterien und Gifte den Baumstumpf nicht schädigen und ihn vor holzfressenden Insekten und Pilzen schützen. Tatsächlich hat Kalk abgesehen von seiner desinfizierenden Wirkung keine insektiziden oder fungiziden Eigenschaften. Bei Apfel- und Birnenbäumen verhindert der Kalk, dass die weiblichen Insekten von Sesia myopiformis (in Europa bekannt als Apfelbaum-Glasflügler) ihre Eier in den Stamm legen.
“Kühlung”
Ein weiterer Grund für die weiße Bemalung sind die Hitze und Sonne auf Kreta. Durch die weiße Farbe wird ein Teil der Sonnenstrahlen reflektiert. Bei Zitruspflanzen und Bäumen mit dünner Rinde verwenden Bauern den Kalk als Sonnenschutzmittel. Wird die Baumrinde nämlich zu warm, kann sie aufbrechen. Das verhindert die weiße Farbe, so dass die Nährstoff- und Wasserleitungen der Bäume nicht geschädigt werden. Einige Bauern bemalen ihre Bäume zudem, um zu verhindern, dass Ziegen und Schafe Blätter und Rinde der Bäume essen.
Bemalte Eukalyptusbäume am Vamos-Platz
Weiß bemalte Orangenbäume
2. Warum hängen Flaschen und Steine in den Bäumen?
Ein häufiger Anblick auf Kreta sind Flaschen, aber auch Steine, die in den Bäumen hängen. Vor allem in Maulbeerbäumen! Ein gängiger Witz erklärt dass damit, dass Raki in den Bäumen wächst! Solche Bäume sieht man oft bei Höfen und Häusern, auf (Park-)Plätzen sowie bei Cafés.
Die Flaschen hängen meisten an dünnen Ästen der Maulbeerbäume (Mouries im Griechischen), wenn jene noch flexibel sind. Durch das Gewicht wachsen die Ästen nicht aufwärts, sondern horizontal. Wenn die Äste steifer wachsen, gleicht der Baumwuchs einem Schirm. Im Frühjahr schließlich, wenn die ersten Blätter sprießen, hat sich der Baum zu einem idealen natürlichen Sonnenschirm entwickelt. Der Baum mit seinen großen Blättern bietet so im Sommer viel Schatten!
An Plätzen und Orten wie Hotels bieten in Reihe gepflanzte Maulbeerbäume mit verbundenen Ästen schattenspendende Bögen.
3. Schnecken oben in Zäunen und Pflanzen, warum?
Vor allem in heißen Sommermonaten fallen an vielen Orten Schnecken auf, besonders die weißen Gartenschnecken (Theba pisana), die in Gruppen Zäune sowie oben im Stamm Bäume und andere Pflanzen bevölkern. Die Schnecken überdauern die kalten Monate mit einem "Winterschlaf" und sammeln sich im Sommer am höchsten Punkt einer Pflanze, um die größte Hitze zu meiden. Je weiter oben, desto kühler ist es – in jeder Art von Vegetation.
Mit dieser Strategie können Schnecken die sehr hohe Temperatur und Trockenheit am Boden meiden. Also klettern die Schnecken so weit wie möglich auf den Stamm oder Stengel, um Austrocknung zu verhindern.
Am pflanzlichen Substrat können die Schnecken in 10 Minuten am Gehäuse einen Kalkverschluss bilden (das sogenannte Epiphragma) und sich so vor Austrocknung schützen. In den (bis zu vier) heißen Sommermonaten reduzieren Schnecken ihren Stoffwechsel und Herzschlag um die Hälfte. Andere Tiere wenden diese Strategie zum Überstehen harter winterlicher Bedingungen, aber die Schnecken auf Kreta zum Überleben der sommerlichen Extrembedingungen. Diese Eigenschaft ist das sommerliche Äquivalent zur Hibernation, also nennen wir es "Sommerschlaf".
4. Weiße Plastikkanister hängen in Bäumen und Zäunen!
Beim Wandern durch Oliven- oder Orangenhaine fallen immer wieder die weißen Plastikkanister oder Flaschen auf, die an Bäumen oder Zäunen hängen. In diesem Fall ist es eine (obligatorische!) Warnung, dass die Flächen mit Roundup gespritzt wurden (ein glyphosathaltiges Herbizid), um Unkraut zu bekämpfen. Der Gebrauch dieses Unkrautvernichtungsmittels ist umstritten, aber weit verbreitet. Roundup tötet Unkraut und Gräser bis zu deren Wurzeln und verhindert für bis zu 4 Monate deren erneutes Wachstum.
Aber der Gebrauch des Unkrautvernichtungsmittels Glyposhat ist sehr umstritten! Glyphosat ist eines der meistverbreitetsten Unkrautvernichtungsmittels weltweit und wird vom deutschen Chemiekonzern Bayer produziert. Es ist umstritten wegen der schädlichen Auswirkungen auf die Biodiversität und die Gesundheit des Menschen mit krebsauslösenden Folgen. Aber erst kürzlich (15.11.2023) hat die Europäische Union die Zulassung dieses umstrittenen Herbizids für weitere 10 Jahre verlängert. Aber die Kommission der EU hat weitere und neue Bedingungen und Einschränkungen zugesagt./B>
5. Und wieder … Plastikflaschen in Olivenbäumen
Beim Wandern durch Olivenhaine stößt man oft auf Pflastikflaschen, die an Bäumen hängen. Meistens sind das Flaschen mit einem Vorleben als Behälter von Mineralwasser oder Fruchtdrinks. Wenn man solche Flaschen sieht, kann man davon ausgehen, dass es sich um einen biologisch-organischen Olivenhain handelt. Warum? Die Flaschen enthalten üblicherweise ein natürliches Mittel gegen die Olivenfruchtfliege. Diese Fliege schädigt die Oliven erheblich und kann die gesamte Qualität des Olivenöls beeinträchtigen. Das Öl würde dann sehr sauer werden und muffig schmecken.
Zur Schadensminderung locken verschiedene Stoffe die Fliegen in die Flaschen, etwa Di-Ammonium Phosphat, (Wein-)Essig oder hydrolysierte Proteine in Kombination mit Insektiziden.
6. Schmale Schreine oder Ikonostasen entlang der Straße
Kleine Schreine, Kandylakie (καντηλάκια) oder Ikonostasen sind als kleine Mini-Kirchen/Kapellen allgegenwärtig in Griechenland, meistens am Straßenrand, oft auch an gefährlichen bzw. gefürchteten Stellen im Straßenverkehr, aber manchmal auch in Gärten von Häusern oder sogar am Eingang eines Restaurants.
Oft sind Verkehrsunfälle der Anlass zum Aufstellen solcher Schreine, um an jemanden zu erinnern, der bei einem tragischen Unfall gestorben ist. Häufig werden sie platziert als Ausdruck und Geste der Dankbarkeit gegenüber einem Heiligen. Sie erinnern an kleine Wunder, und die Überlebenden widmen ihrem Heiligen einen Schrein (kandylaki). Andere Schreine deuten auf ein Kloster oder eine Kirche in der Gemeinde hin, vor allem in dünn besiedelten Regionen, wo die Kirche nicht sofort erkennbar ist.
Die kleinen Schreine bestehen aus Beton, Steinen, Metall, Holz, Marmor oder Keramik. Obwohl sie sich alle ähneln, ist jeder einzigartig. Im Inneren befinden sich meistens Siegel, etwa von einem besonderen Familienheiligen, Bienenwachskerzen oder mit Olivenöl befeuerte Votivlampen. Manche haben sogar ein kleines Räuchergefäß.
Gelegentlich weist ein Foto auf eine verschiedene Person hin, der mit dem Schrein gedacht wird.
In großen Städten wie Athen oder Thessaloniki werden Schreine von Passanten auch als öffentliche Betstätten genutzt, wo Menschen halten und betten können, wenn etwa die benachbarte Kirche geschlossen ist. Gelegentlich ist auch eine kleine Spendenbüchse vorhanden. Manche Schreine erreichen die Größe eines Spielhauses für Kinder mit gerade mal genügend Platz im Innern für kleine Zeremonien. Solche Schreine dienen als Privatkapelle auf privatem Boden.
7. Millionen Zäune!
Beim Wandern auf Kreta fallen sofort die zahlreichen Zäune auf! Und meistens keine besonders schönen, sondern solche aus Gitterstäben, die sonst zum Verstärken von Beton dienen. Bauern bauen Zäune, um ihre Olivenhaine und (Wein-)Gärten vor Schafen und Ziegen zu schützen, die sonst jede Vegetation verputzen würden. Man sieht die Zäune wirklich überall – nicht nur bei Feldern, sondern auch an steilen Hängen, Klippen und in Schluchten.
Wenn beim Wandern auf einer Schotterstraße oder einem Pfad ein Zaun den weiteren Weg versperrt, heißt das nicht, dass dahinter Privatgelände liegt, das nicht betreten werden darf. Oft hat jemand einen Zaun angelegt, um Schafen den Zutritt in Dörfer, Weingärten oder Olivenhaine zu verwehren. Oder ein anderer Schäfer will seine Weiden mit dem Zaun vor fremden Schafen schützen. In diesen Fällen gilt: Öffnen Sie das Gatter und verschließen Sie es nach dem Passieren wieder!
Meistens ist das Gatter an einer Seite dauerhaft mit Draht festgebunden, während es an der anderen Seite mit einem Draht oder einer Schnur leichter fixiert ist. Zum Durchgehen lösen Sie den Knoten und verschließen Sie alles wieder wie vorgefunden!
Zerstöre oder beschädige niemals ein Zaungatter! Verschließe jedes Zaungatter, das Du zuvor geöffnet hast! Ein dauerhaft mit Draht oder einem Schloss verriegeltes Gatter deutet auf ein Privatgrundstück hin. Wende niemals Gewalt an beim Öffnen eines Gatters!
Hoffentlich sind einige Dinge jetzt deutlicher, die Du auf Kreta gesehen hast! Vielleicht hast Du weitere Fragen oder besondere bzw. seltsame Gebräuche und Dinge beobachtet? Ich freue mich auf alle Hinweise und Kommentare!
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